Es war ein kalter grauer Oktobertag, dessen Laune sich zu allem Überfluss auch noch in dichtem Nieselregen erging. Also das richtige Wetter für einen Spaziergang – jedenfalls auf dem Hradschin in Prag. Denn dort ist dann die richtige mystische Atmosphäre, die einem einen Schauer nach dem anderen den Rücken entlang jagt.
Da es wegen einem lokalen Event sehr voll und eng war, bogen wir in Seitengassen ab. So gelangten wir zum Loreto.
Das Loreto, benannt nach einem italienischen Wallfahrtsort, beherbergt die Kirche “Christi Geburt”, die (wie im italienischen Loretto erbaute) Loretokapelle und das Konventsgebäude des Kapuzinerklosters, wie ich später nachlas.
Es ist inzwischen auch in Prag einer der wichtigsten Wallfahrtsorte und unbedingt einen Besuch wert.
Als erstes betritt man nach dem Kaufen der Eintrittskarten die klösterlichen Arkaden mit vielen schönen und interessanten Gemälden, Statuen und Nischen mit Altären. Wir überquerten den Innenhof und gingen in die Loretokapelle, welche mit einer völlig fremdartigen Anmutung überraschte. Schon äußerlich hebt sie sich von den anderen Bauten ab, da sie eher wie ein griechischer kleiner Tempel wirkt.
Innen war – für mich – die Überraschung noch größer, denn zu der seltsamen mythischen Anmutung, die einen unmittelbar nach Betreten des kleinen Raumes ergreift, kam der Name Lobkowitz bzw. Lobkowicz über dem Altar hinzu.
Dieser Name hatte für mich während der Arbeit an meinem Buch große Bedeutung erlangt, da ich über die Präsenz der Polyxena von Lobkowicz u. a. zum großen Einfluss dieser bedeutenden und mutigen Frau und zu den Geheimnissen um die kleine heilige Statue des Jesuskindleins – einem weiteren, sehr bedeutenden Wallfahrtsort in Prag – … kam (in meinem Buch ist ein Kapitel darüber). (Über den Besuch des Lobkowicz-Palastes auf dem Hradschin bei einem anderen Besuch Prags berichte ich kurz hier.)
Die heilige Kapelle ist der Nachbau des “heiligen Hauses” – wie ich später las – jenes Hauses, in dem die Verkündigung Jesu’ Geburt durch den Erzengel Gabriel für Maria statt fand.
Als Stifterin der Loretokapelle wird Benigna Catherine von Lobkowicz genannt, wie ich später las, was wohl den Namen am Altar der Kapelle erklärt. Erstaunlich, dass gleich zwei Frauen aus dieser Adelsfamilie zwei der bedeutendsten Wallfahrtsorte Prags (und darüber hinaus) stifteten.
Doch das sollte nicht die einzige Überraschung sein.
In der Loretokirche, die ebenfalls eine andersartige, Ehrfurcht einflößende, elegische Atmosphäre erzeugt, fielen mir schon einige Details auf, die den restriktiven Auffassungen der früheren römisch katholischen Kirche eigentlich nicht ganz genehm gewesen sein dürften. Aber wie schon öfter, hatten die Künstler es verstanden, bestimmte Botschaften geschickt in den Gemälden und plastischen Kunstwerken unterzubringen.
Als wir dann nochmals die Arkaden entlang gingen, um zur Ausstellung zu gelangen, fiel mein Blick auf den zweiten Brunnen im Innenhof. Die weibliche Statue mit dem Strahlenkranz erzeugte natürlich gleich Aufmerksamkeit, ich zählte nach, tatsächlich waren es 12 Sterne. Das erinnerte sofort an die Prophezeiung, die mit meinem Buch so stark verbunden schien. Nun ja, konnte auch Zufall sein, zumal der Mond und Drache fehlte.
Die dann besichtigte Schatzkammer des Loreto war sehr beeindruckend, doch als ich den wertvollsten Schatz sah, dachte ich zu träumen. Hier war die mit 12 Sternen bekränzte Jungfrau, die auf dem Mond stand und der Drache eindeutig zu sehen! Der Drache ist erst bei genauerem Hinschauen zu entdecken, er schlängelt sich unten um den Fuß, sein Kopf liegt mit dem Scheitel auf dem Boden, sein Maul ist geöffnet, die Zunge heraushängend. Offensichtlich soll er einen besiegten Eindruck erwecken, während die von ihm einst bedrohte, geflüchtete Jungfrau (wie es in der Prophezeiung – Off. Joh. 12 – steht) nun doch triumphierend über ihm steht.
Und das ist ein – wie ich später las – weltberühmtes Artefakt, eine Monstranz mit 6222 (!) Diamanten besetzt, das auch die “Prager Sonne” genannt wird. Dies war der Zeitpunkt, an dem ich beschloss, die Fotografiererlaubnis zu kaufen. Und es war so ein Moment, wo man das Gefühl hat, bei einem Drehbuch mit zu spielen, das schon längst geschrieben wurde.
Eine bessere Allegorie zum Sieg des (spirituellen) Lichtes und nebenbei zum fulminanten Ende meines Buches im Sonnenportal kann man sich kaum vorstellen. Diese ist jedoch aus dem 17. Jh.
Alles in allem schienen die Auftraggeber dieser Kunstwerke über ein besonderes Wissen und über die Intention zu verfügen, dieses auch anzuwenden – wie gut.
* Fotos: Mit freundlicher Genehmigung durch LORETO PRAGUE, Order of Friars Minor Capuchins, herzlichen Dank an Kuratorin Mgr. Markéta Baštová.